Ich will damit keine Menschen abwerten, aber was ich sehr wohl tue, ist für mich persönlich ihre Lebenseinstellung für nicht selbstverantwortlich und konteremanzipatorisch anzusehen.
Schön und gut, wenn irgendwelche Wege zu Gott führen, aber was passiert denn mit mir, wenn ich diese nicht gehe?
Natürlich werd ich dich jetzt nicht umstimmen können, da du von deiner Meinung überzeugt bist und ich von meiner. Ich persönlich strebe halt eine fortschrittliche und emanzipierte Gesellschaft an und in der hat meiner Meinung nach keine Religion was verloren, noch viel mehr behindern Religionen und Glauben an höhere Mächte imho eine in diese Richtung gehende Entwicklung.
Was du aber tust ist dich auf der einen Seite als emanzipatorisch und aufgeschlossen hinzustellen, auf der anderen Seite aber sprichst du den Leuten die an eine höhere macht Glauben genau dieses ab.
Um ehrlich zu sein beneide ich religiöse Leute (ich selbst kann leider einfach nicht glauben), da für sie das Leben vermutlich mehr Sinn macht als mich, und dass für sie nach dem Tod wohl nicht alles vorbei ist.
Ich denk mir oft was wohl nach meinem Tod passiert, ob ich es vielleicht mitbekomme wenn die Würmer mich auffressen. In diesen Momenten wäre ich froh hätte ich die feste Überzeugung nach meinem Tod an einen besseren Ort zu kommen. Deswegen lass ich mich wohl auch einäschern.
Ich weiß schon wenn man sagt Religion kommt sofort Hexenverbrennung, Glaubensunterdürckung usw.
Aber alle Religionen (auch die katholische) hatten ihre positivien Seiten. Die ersten gängigen Moralvorstellunen haben sich durch Religionen durchgesetzt. Die ersten Gesetzestexte haben sich auf Religionen gestützt. Die Religion wirkte für Volker als Identitätszusammenschluss und ermöglichte somit erst das Aufblühen einer Zivilisation (das gilt übrigens auch und gerade für die altgriechische Demokratie wo jeder* eine Stimme hatten).
Deine These dass religion in einer modernen Gesellschaft nichts verloren hat, halte ich übrigens für sehr gewagt.
Und toll das du Thomas von Aquin gelesen hast, aber offensichtlich nicht richtig. Du musst ein geschichtliches Buch nunmal im zeitlichen Kontext lesen. Ein tolles Beispiel ist hierfür der Koran.
Es wird immer behauptet der Koran unterdrücke die Frauen, während die Verteidiger sagen er beschützt die Frauen. Die Wahrheit ist dass er beides tut:
im 7. Jahrhundert als der Koran geschrieben wurde, hatten Frauen in den patriachalischen Strukturen des Nahen Ostens praktisch gar keine Rechte. Der Koran brachte ihnen: Einen Teil des Erbes (bis dahin nicht gänig), das Recht auf Scheidung (bis dahin nicht gängig), die Versorgung von Witwen (bis dahin nicht gänig), Zeugenaussagen vor Gericht (bis dahin nicht gänig).
Der Koran gab den Frauen erstmals Rechte die sie von der totalen Abhängigkeit vom Familienvorstand löste.
Für damalige Zeit: REVOLUTION! Das Problem daran ist nur dass sich die nächsten 1400 Jahre keine Neuerung mehr einstellte.
Also für damalige Zeit ist der Koran toll für Frauen, für heutige Zeit eine Einschränkung. Und genau das muss man bei jedem alten Buch betrachten.
Ähnlich kann man z.B Wagners Antisemitismus sehen. Natürlich rümpfen wir heute darüber die Nase, aber die feine bayrische Gesellschaft vor 120 Jahren wäre eher entsetzt gewesen wenn er kein Antisemit gewesen wäre.
Also Merksatz für den heutigen Tag:
Wenn wir alte Schriften, Bräuche oder generell Geschichte analysieren dürfen wir nicht unsere heutigen Wert und Moralvorstellungen anlegen. Das kann nicht funktionieren.
Und zum Ende kann ich dir nur mehr Voltaire zitieren:
Ich missbillige, was Sie sagen, aber ich werde – bis in den Tod – Ihr Recht verteidigen, es zu sagen.
*abgesehen von Frauen, Kindern, Sklaven, Geisteskranken und allen anderen die es nicht wert sind.