Wow. Ich hätte nicht damit gerechnet, grad von jemandem wie klausi, der in fast allen Posts, die ich bisher von ihm gelesen habe, doch ziemlich vernünftig rübergekommen ist, solchen Aussagen zu hören.
Ich weiß nicht, in welchem Semester du bist, und wieviele nicht-Informatik- (oder zumindest nicht-technische) Lehrveranstaltungen du bisher absolviert hast, aber deine Ansichten zur Wissenschaftstheorie spiegeln offensichtlich in kaum einem Wort die Entwicklung der letzten 2000 Jahre auf diesem Gebiet wieder.
Zitat von klaus
Die Wissenschaft erklärt gerne das aktuell plausibelste "Wahrheitsmodell" zur absoluten Wahrheit und schließt andere Ansätze gerne von vornherein aus, weil diese vielleicht noch nicht so weit entwickelt sind oder mit den Werkzeugen aus dem vorherrschenden Modell nicht bewiesen werden können.
Das ist ganz einfach falsch. Die Wissenschaft tut das nicht.
In a Nutshell, und vereinfacht, läuft das so ab, dass sich ein gescheiter Mensch ein Modell ausdenkt, das möglichst gut erklärt, was er beobachtet hat. Nach diesem Modell wird gearbeitet, geforscht, erklärt, vorausgesagt, etc. Jetzt kann ein anderer gescheiter Mensch herkommen, dieses Modell anzweifeln, weil es nicht zufriedenstellend erklärt, was er selbst beobachtet hat, und denkt sich ein neues aus. Oder erweitert das alte. Alles was er tun muss, ist ein Gegenbeispiel für das zu finden, was das Modell erklärt oder vorhersagt.
Natürlich gilt immer das plausibelste, einfachste Modell. Solange, bis es nicht mehr das plausibelste oder einfachste ist. Dass alte, bis dahin bewährte Modelle nicht einfach so verworfen werden, kommt natürlich vor, entweder weil sie immer noch einen Nutzen haben oder weil ihr Erfinder nicht überzeugt davon ist, dass es einen Fehler hat. In dem Fall wird er daran arbeiten, entweder das neue Modell zu widerlegen, oder seines zu verbessern. Wissenschaftlicher Fortschritt fußt genau darauf.
Dein Modell mit unendlich dünnen Hörsaalscheiben ist nicht einfacher oder plausibler, als das Modell, das du zu entkräften versuchst (Welches ist das? Das des phyikalischen Raumes, oder der Raumzeit?).
Zitat von klausi
Vielleicht sollte sich die Wissenschaft etwas vom Software-Engineering abschauen: Da geht man immer davon aus, dass Software nie komplett fehlerfrei sein kann und dass nur Bugs nacheinander gefixt werden können, um das Ganze zu verbessern. Und man weiß ganz genau, dass in ein paar Jahren irgendwer das Ganze sowieso neu schreibt mit besseren Sprachen/Technologien, und dass das Bugtracking von vorne losgeht
Genau das tut die Wissenschaft. Genau darauf basiert der wissenschaftliche Fortschritt. Genau deswegen sitzen wir jetzt vor Flachbildschirmen, sterben nicht mehr an Syphilis oder einem ausgebrochenen Zahn, und sorgen uns um Dinge wie Datenschutz in einer Welt von gläsernen Menschen.
Ich rate dir dringend, dich in eine der Vorlesungen [1, 2] von Prof. Koenne zu setzen, und dir eine "Einführung in die Wissenschaftstheorie" geben zu lassen. Die beiden LVAs sind (waren?) sogar im Soft-Skills-Katalog, also tragen sie sogar zum Abschluss des Pflichtteils des Informatikstudiums bei. Falls es nicht Motivation genug ist, herauszufinden, wie Wissenschaft wirklich funktioniert.
[1] http://tuwis.tuwien.ac.at/lva/015076
[2] http://tuwis.tuwien.ac.at/lva/015085