Da hat sich jemand ja wieder Gedanken gemacht! Zum Glück liefert uns der Standard gleich die passende Information...
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Obdachlose quälen - ein "Spaß"
Japanische Jugendliche sehen die sozial Schwächsten als "Abfall"
"Obdachlose tragen nichts zur Gesellschaft bei und sind nur wie Hunde oder Katzen. Es ist mir egal, ob sie leben oder tot sind." Das sagte ein 17-jähriger Fliesenleger nach seiner Verhaftung in Tokio aus. Der Jugendliche ist Anführer einer Bande, der vorgeworfen wird, im Mai einen Obdachlosen angezündet zu haben. Bei einer Verurteilung müssen die fünf Jugendlichen mit einer mehrjährigen Haftstrafe rechnen.
Die Kaltblütigkeit, mit der sie vorgingen, zeugt vom fehlenden Schuldbewusstsein. Seit April hatten die 15- bis 17-jährigen Burschen einen Park in Tokio durchstreift; auf "Obdachlosenjagd", wie es im Jugendjargon heißt. Nach diversen kleineren Attacken schlichen sie sich am 13. Mai zu einem 52-jährigen, der, um Geld zu sparen, nicht wie gewöhnlich in einem Internet-Café sondern auf einer Parkbank schlief.
Mit Benzin übergossen
Sie übergossen den Schlafenden mit Feuerzeugbenzin und zündeten ihn an. Der Mann konnte das Feuer durch einen Sprung in einen Brunnen löschen, liegt aber seither mit schweren Verbrennungen an 30 Prozent seines Körpers im Krankenhaus.
Obdachlose leben seit Jahrzehnten in Angst, überfallen, totgeschlagen oder angezündet zu werden. Zwar sank die Jugendkriminalität seit den 1980er-Jahren um mehr als 40 Prozent, aber kaum ein Jahr vergeht ohne Gewalttätigkeiten auf die Schwächsten der Gesellschaft.
Die Bewohner der Uferpromenaden und Parks, meist im mittleren Alter, zittern besonders vor den Jungen, selbst wenn das noch halbe Kinder sind. Im Jänner wurde ein 14-jähriger in der Industriestadt Nagoya für einen Angriff mit Todesfolge in eine Besserungsanstalt geschickt. Er und einige andere hatten unter Anleitung eines 28-Jährigen eine 69-jährige Obdachlose mit Eisenstangen erschlagen. Er war zur Tatzeit 13 Jahre jung. Wäre er 14 gewesen, wäre er ins Jugendgefängnis gekommen.
Die Begründungen für derlei Gewaltausbrüche klingen heute fast wie zu Zeiten des berüchtigten Yokohama-Zwischenfalls 1983, als Jugendliche drei Obdachlose töteten und 13 schwer verletzten. "Müll aufräumen" ist das am häufigsten und auch im jüngsten Fall genannte Motiv. Auch die Vergleiche mit Hunden und Katzen sind typisch. Weitere "Motive" sind auch "Zeit totschlagen", "Spaß an der Gewalt" und "Stressabbau".
Kalte Logik
Als tiefere Ursache für dieses Verhalten vermuten Soziologen die strikte Statusorientierung der japanischen Gesellschaft. Viele Japaner beurteilten den Wert ihrer Mitmenschen nach der kalten Logik des wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Erfolgs, lautet die Kritik. Die Obdachlosen rangieren in der Wertskala daher ganz unten. Dabei bilden sie bereits seit Jahrzehnten eine gesellschaftliche Schicht, die Kleinunternehmen als Tagelöhnerreservoir dient.
Die meisten Obdachlosen sind daher auch nicht verwahrlost oder straffällig. Viele haben Dörfer aus Zelten oder Pappendeckelhäusern in den Parks oder entlang von Uferpromenaden gegründet. Die Gemeinschaft hilft sich gegenseitig. Oft gibt es sogar einen Dorfvorsteher. (Martin Koelling, DER STANDARD Printausgabe, 11./12.8.2007)