Ich schreibe gerade an einem Text, den ich "Das Libertäre Manifest" genannt habe (Arbeitstitel). Darin beschreibe ich meine eigene politische Philosophie. Kommentare sind gern gesehen (aber bitte nicht "tl;dr").
Das Libertäre Manifest
Einleitung
Das Leben des Menschen ist zu einem großen Teil von der Befriedigung von Grundbedürfnissen bestimmt, wie dem Bedürfnis nach Nahrung, nach Schlaf, nach einem Dach über dem Kopf oder nach einem Partner beziehungsweise einer Partnerin. Die verschiedenen Formen des Zusammenlebens von Menschen, die sich im Verlauf der Jahrtausende entwickelt haben, basieren allesamt darauf, den Angehörigen der jeweiligen Verbände ein gutes Leben zu ermöglichen, in dem diese Grundbedürfnisse gesichert werden. Erst durch die Sicherung der Grundbedürfnisse entstehen in den Menschen sekundäre Bedürfnisse, wie das Bedürfnis nach gesellschaftlicher Anerkennung, nach deren Befriedigung er dann ebenfalls strebt. Ohne Sicherung der Grundbedürfnisse aber gibt es gar kein Streben nach Befriedigung sekundärer Bedürfnisse.
Das Leben des Menschen ist aus diesem Grund zu einem großen Teil durch ökonomische Zwänge bestimmt. Freiheit ist die Abwesenheit von ökonomischen Zwängen. Ein Mensch kann nur dann wirklich frei sein, wenn er sein Leben gestalten kann, ohne auf ökonomische Zwänge, nach denen er sich richten muss, Rücksicht nehmen zu müssen.
Der grundlegendste Verband von Menschen ist die Familie; sie besteht im Normalfall aus einer Mutter, einem Vater und einem oder mehreren Kindern. Es ist klar: Die Eltern sind dafür verantwortlich, die Grundbedürfnisse ihrer Kinder zu sichern. Aber wie sichern sie ihre eigenen Grundbedürfnisse? In der Steinzeit waren die Menschen Jäger und Sammler; später betrieben sie Ackerbau und Viehzucht. Mit der Zeit zeigte es sich, dass Menschen unterschiedliche Stärken und Schwächen haben. Die Einen spezialisierten sich auf den Anbau von Getreide, die Anderen auf die Zucht von Rindvieh; und ihre Erzeugnisse tauschten sie gegenseitig aus. So entstand das, was man Tauschwirtschaft nennt. Die Menschen produzierten Erzeugnisse nicht mehr nur für den Eigenbedarf (das nennt man Subsistenzwirtschaft), sondern auch für Andere. Schließlich kam man auf die Idee, ein universelles Zahlungsmittel, eine Währung, zu definieren, das es ermöglichte, die Tauschgeschäfte indirekt abzuwickeln. Anstatt Produkt gegen Produkt zu tauschen, tauschte man nun Produkt gegen Geld, um zu einem späteren Zeitpunkt wiederum Geld gegen Produkt tauschen zu können.
Im Laufe der Geschichte erwuchsen Ungleichheiten zwischen den Menschen. Manche verfügten über Besitz, andere nicht. Letztere bezeichnete man zu einem späteren Zeitpunkt als Proletarier. Die Proletarier hatten ein hartes Los, weil sie ihren Lebensunterhalt durch Lohnarbeit verdienen mussten. Sie waren also von anderen Menschen, von Besitzenden, voll und ganz abhängig. Es gab immer wieder Philosophen, die überlegten, wie man das Los dieser Besitzlosen verbessern könnte. Einer der bekanntesten und einflussreichsten Philosophen dieser Art war sicherlich Karl Marx, aber es gab auch andere. Karl Marx war in seinen Ansichten sehr radikal. Er glaubte, das Problem der Proletarier lösen zu können, indem er das Privateigentum an Produktionsmitteln abschaffte, also jeden Besitz verstaatlichte, mit dem Güter erzeugt werden konnten. Dadurch wurden effektiv alle Menschen zu Besitzlosen, also zu Proletariern. Im Marx'schen Sozialismus gäbe es keine Unterschiede mehr zwischen den Menschen; alle müssten regelmäßig einer Arbeit nachgehen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Im Prinzip ist der Marxismus aus diesem Grund meiner Meinung nach eine perverse Ideologie: Denn anstatt das Leben der Menschen, denen es schlecht ging, zu verbessern, strebte Marx die Gleichheit der Menschen an, indem er das Leben der Menschen, denen es gut ging, verschlechterte. Mir geht es genau um das Gegenteil: Ich möchte das Leben aller Menschen verbessern.
Die Marx'schen Lehren wurden in Osteuropa umgesetzt, und wenn man sich mit Menschen unterhält, die in diesen Systemen gelebt haben, dann wird man von den meisten hören, dass sie sehr froh darüber sind, dass man nach 1989 in diesen Ländern vom Marxismus als Staatsideologie abging. Marxismus ist also keinesfalls erstrebenswert.
Der Begriff der Freiheit
Wie eingangs kurz erwähnt, betrachte ich Freiheit als die Möglichkeit, sein Leben unabhängig von Zwängen, vor allem von ökonomischen Zwängen, zu gestalten. Von Natur aus halte ich den Menschen für ein nach Freiheit strebendes Lebewesen. Im übrigen zeigt sich auch am Marx'schen Begriff der Freiheit, wie pervers der Marxismus ist: Denn Marx definierte Freiheit genau anders herum, nämlich als die Einsicht in eine Notwendigkeit. Echte Freiheit, wie sie mir vorschwebt, ist im Marxismus nicht vorgesehen.
Damit ein Mensch sein Leben frei, also unabhängig von Zwängen, vor allem von ökonomischen Zwängen, gestalten kann, muss die Befriedigung seiner Grundbedürfnisse gesichert sein. Es gibt Menschen, die es sich leisten können, frei zu leben: Wenn sie sehr wohlhabend sind, so dass ihre Ersparnisse reichen, um über einen längeren Zeitraum Nahrung und übrige essenzielle Dinge erwerben zu können, ohne einer Arbeit nachzugehen, dann sind sie im Prinzip frei. Allerdings mit einer Einschränkung: Diese Menschen sind von anderen Menschen, die einer Berufstätigkeit nachgehen, abhängig. Würde jeder zu arbeiten aufhören, so würde das System nicht funktionieren.
Im Prinzip ist es jedenfalls möglich, Wohlstand anzuhäufen, um irgendwann ein Leben frei von ökonomischen Zwängen führen zu können. Dazu muss es aber erlaubt sein, Privatbesitz zu akkumulieren. In einem sozialistischen System Marx'scher Prägung wäre dies nicht möglich oder zumindest nicht legal.
Da im Kapitalismus westlicher Prägung das Anhäufen von Privateigentum erlaubt ist, kann man hierzulande also sein Leben über einen gewissen (in der Regel relativ langen) Zeitraum so gestalten, dass man arbeitet, um Besitz zu erwerben, von dem man irgendwann (in der Regel erst in recht hohem Alter) frei von ökonomischen Zwängen leben kann.
Was im derzeitigen System freilich nicht möglich ist, ist, sein Leben von Anfang an frei von ökonomischen Zwängen zu gestalten. Es sei denn, man stammt aus einer sehr wohlhabenden Familie, so dass man es sich leisten kann, von Anfang an zu leben, ohne auf ökonomische Zwänge Rücksicht zu nehmen. Dies ist aber nur relativ wenigen Privilegierten möglich.
Es gibt jedoch verschiedene Lösungsvorschläge, wie man auch finanziell schlechter gestellten Kreisen ein sorgenfreies Leben ermöglichen könnte. Milton Friedman, der bekannteste Ökonom der Chicagoer Schule, hat beispielsweise etwas vorgeschlagen, das von diversen politischen Parteien unter Begriffen wie Grundsicherung oder Bedingungsloses Grundeinkommen propagiert wird. Die Idee ist einfach, dass der Staat nach wie vor Steuern eintreibt, aber einen Teil dieser Steuern an alle Bürger - also auch an die, die gar keine Steuern zahlen - zurückgibt. Dadurch hätte dann jeder Bürger ein regelmäßiges Einkommen, mit dem er seine Grundbedürfnisse befriedigen könnte, unabhängig davon, ob er einer Arbeit nachginge.
Auch dieses System setzte aber voraus, dass manche (eher: viele) Menschen nach wie vor einer Berufstätigkeit nachgingen, denn sonst wäre dieses System nicht finanzierbar.
Dazu ist zu sagen, dass es keineswegs das Ideal jedes Menschen ist, Arbeit möglichst zu vermeiden. Es gibt Menschen, die gerne arbeiten - vielleicht gar nicht so wenige. Es kommt in erster Linie darauf an, ob der Beruf zu der jeweiligen Persönlichkeit passt. Deswegen ist es wichtig, dass es Menschen mit unterschiedlichen Persönlichkeiten gibt: damit sich möglichst für jeden Beruf, der gebraucht wird, jemand findet, der diesen Beruf gern ausübt. Wenn jemand von seiner Persönlichkeit her eine bestimmte Tätigkeit gerne ausübt, sie ihm Spaß macht, dann empfindet er insgesamt weniger Arbeitsleid als jemand, der ständig einer seinem Wesen fremder Tätigkeit nachgehen muss.
Es ist davon auszugehen, dass die meisten Menschen irgendeine Tätigkeit finden würden, die ihnen Freude bereitete, und der Zustand, dass sie nur vom Grundeinkommen lebten, nur zeitlich begrenzt wäre.
Der Begriff der Arbeit
Was ist überhaupt Arbeit? Es gibt verschiedene Definitionen von Arbeit; beginnen wir mit Marx: Marx definierte Arbeit als eine "gesellschaftlich anerkannte Tätigkeit". Das bedeutet erstens, dass Arbeit eine Tätigkeit ist; zweitens, dass sie gesellschaftlich anerkannt werden muss. Aber was heißt gesellschaftliche Anerkennung? Das ist im Grunde genommen ein recht vager Begriff; in der Realität sieht es wohl so aus, dass all das, womit man Geld verdienen kann, als gesellschaftlich anerkannt zu betrachten ist und alles andere als gesellschaftlich nicht anerkannt.
In der Physik wird Arbeit als das Produkt von Kraft und Weg definiert, wobei Kraft wiederum das Produkt von Masse und Beschleunigung ist; physikalische Arbeit hat also damit zu tun, dass man einen Gegenstand, der eine gewisse Masse hat, in Bewegung versetzt (ihn beschleunigt), und je weiter man ihn bewegt, je größer der Weg, desto mehr Arbeit hat man geleistet. Dieser physikalische Begriff der Arbeit beschreibt an sich manche Berufe recht gut, möglicherweise sogar alle Berufe; denn auch bei intellektuellen Berufen, beim Denken, wird physikalische Arbeit verrichtet. Selbst Marx betrachtete das Denken als eine Form der Bewegung (sogar als die höchste Form der Bewegung). Aber: Physikalische Arbeit impliziert nicht gesellschaftliche Anerkennung.
Meiner Meinung nach ist in diesem Zusammenhang doch die Frage zu stellen, ob eine Tätigkeit, die gesellschaftlich nicht anerkannt ist, nicht doch als Arbeit zu betrachten sei. Ich persönlich erachte es als unfair, eine mitunter anstrengende Tätigkeit nicht als Arbeit zu betrachten, nur weil man mit dieser Tätigkeit kein Geld verdient (sie also nicht aus ökonomischen Motiven betrieben wird).
Der Begriff der Leistung
In der Physik wird Leistung als Quotient aus Arbeit geteilt durch Zeit definiert. Das bedeutet: Je mehr Arbeit verrichtet wird, desto höher die Leistung. Aber auch: Wenn zwei Personen gleich viel Arbeit verrichten, dann hat die Person, die weniger Zeit dafür gebraucht hat, mehr Leistung erbracht.
Im täglichen Leben wird oft Leistung als ein wichtiges gesellschaftliches Prinzip hochgehalten. Dabei ist Leistung aber nicht unbedingt im physikalischen Sinne gemeint. Eher ist gemeint, dass man grundsätzlich die Einstellung haben sollte, Arbeit verrichten zu wollen. Honoriert wird keineswegs, wenn jemand gleich viel Arbeit leistet, aber dafür kürzer braucht. Von solchen Menschen - man könnte sie begabt nennen - wird eher erwartet, dass sie die gewonnene Zeit nutzen, um noch mehr Arbeit zu verrichten.
Die "Leistungsgesellschaft" ist ein geflügeltes Wort. Meiner Meinung nach zeugt es aber eher von Unreife, wenn ein Mensch sich in erster Linie durch die erbrachten Leistungen definiert. Es gibt im Leben viel mehr als nur Arbeit. Menschen sind nicht deswegen interessant, weil sie arbeiten, sondern aufgrund ihrer Persönlichkeiten und Kenntnisse - das sind Merkmale, die zwar auch beim Geldverdienen eine Rolle spielen können, die aber nicht nur wegen der ökonomischen Aspekte interessant sind. Dementsprechend bin ich der Meinung, dass sich die Gesellschaft in die Richtung weiterentwickeln sollte, dass Menschen nicht nur aufgrund ihrer Leistungen geschätzt werden, sondern auch aufgrund ihres Charakters und anderer Dinge.
Autoritäre Strukturen
Ökonomisch gesehen, betrachten Menschen in erster Linie nach der Nützlichkeit. Die Hauptfrage lautet: Was habe ich von meinem Mitmensch? Was kann er mir bringen? Das spielt auch in den privaten Bereich hinein. Aber in erster Linie ist das Nützlichkeitsprinzip ein ökonomisches. Der Unternehmer entscheidet, welche Mitarbeiter er einstellt, aufgrund ihres Potenzials, dass sie seinen Zwecken dienen könnten. Wie gesagt, ist die potenziell erbrachte Leistung nicht alles, was einen Menschen ausmacht; in der Arbeitswelt ist sie aber das hauptsächliche Kriterium bei der Auswahl von Mitarbeitern.
Aufgrund der Verschiedenheit der Interessen der Menschen haben sich im Laufe der Zeit autoritäre Strukturen ausgebildet. Ein Mitarbeiter muss ja nicht unbedingt die Interessen seiner Vorgesetzten teilen. Aber im Betrieb wird von ihm in erster Linie erwartet, diesen Interessen zu dienen. Vorgesetzte haben daher verschiedene Mechanismen entwickelt, ihre Untergebenen zu zwingen, sich so zu verhalten, wie es ihren eigenen Interessen entspricht. Unternehmen, die so aufgebaut sind, sind autoritär strukturiert. Im Prinzip ist jedes Unternehmen autoritär strukturiert; Mitarbeiter werden schließlich nicht bezahlt dafür, dass sie ihren Privatinteressen nachgehen. Problematisch ist nur, wenn das Autoritätsprinzip auch in Bereiche hineinspielt, in denen es keine Rolle spielt, etwa in das Privatleben. Auch in der Familie herrschen oftmals autoritäre Strukturen. Besonders in traditionellen Familien gab es oft ein Familienoberhaupt, das den anderen Familienmitgliedern selbst in ihrer Freizeit glaubte sagen zu dürfen, wo es langging.
Meiner Meinung nach sind autoritäre Strukturen weitestgehend abzubauen. Autoritäres Gehabe ist nur dort zu gestatten, wo es wirklich notwendig ist; etwa um Mitarbeiter dazu zu bringen, den Interessen des Unternehmens zu dienen. In allen anderen Bereichen sollte autoritäres Verhalten nicht erlaubt sein.
Im Idealfall sollten auch die Interessen der Mitarbeiter mit denen des Unternehmens weitgehend übereinstimmen oder zumindest sehr kompatibel sein; dann wird autoritäres Gehabe auch am Arbeitsplatz überflüssig.
Autoritäre Strukturen und auch autoritäre Persönlichkeiten - solche, die besonders zu autoritärem Gehabe neigen, selbst wenn es rational nicht geboten ist - sind in meinen Augen ein Hauptübel der Menschheit. Sehr viele Probleme, wie Kriege oder Völkermorde, sind auf solche autoritäre Strukturen zurückzuführen. Man überlege sich einmal: Ohne autoritäre Strukturen gäbe es wahrscheinlich gar keine Kriege! Schließlich dient kaum ein Soldat freiwillig in der Armee, sondern die meisten werden zum Kriegsdienst gezwungen.
Fortsetzung folgt.