Also ich weiß nicht genau, welche Vorteile du siehst, die die Nachteile überwiegen sollen, ich kann sie jedenfalls nicht nachvollziehen. Was genau kannst du mit facebook, was ohne nicht ginge? (die Frage ist ganz ehrlich gemeint. Ich hab drüber nachgedacht, und nichts gefunden, was ich ohne social communities wirklich vermissen würde)
Die Nachteile dagegen sind wesentlich offensichtlicher...
Wie gesagt, ich kann verstehen, wenn du bezüglich Facebook Bedenken hast. Mir würde es auch besser gefallen, wenn es ein offenes, nichtkommerzielles Projekt wäre, aber denke, Facebook ist schon zu weit verbreitet, um jetzt noch von nichtkommerziellen Projekten à la Kaioo abgelöst werden zu können, vor allem international (ganz abgesehen davon ist man bei keinem Projekt ganz sicher, dass dessen Betreiber nicht doch irgendwann "zur dunklen Seite" überwechseln).
Ich finde Facebook eine gute Möglichkeit, um mit Freunden (im Sinne von Facebook-Freunden, also auf einer Skala von "sehr gute Freunde" bis "einmal getroffen und interessanter Mensch, von dem ich gern neues höre") in Kontakt zu bleiben. Natürlich ist es nicht die einzige Art, mit Bekannten in Kontakt zu bleiben (ja, ich habe ein Sozialleben ) und ja, wenn wir nur von Bekannten in Wien reden würden, käme ich vermutlich auch sehr gut ohne Facebook aus - und das ist auch ein Grund, warum ich StudiVZ nicht besonders misse, die Leute, mit denen ich darüber kommuniziere, kann ich großteils genausogut auf ein Bier treffen, mit Ausnahme von ein paar Bekannten in Deutschland oder den Bundesländern, und selbst da wär's nicht ganz so weit.
Es geht vielmehr um die internationalen Freunde, und das sind inzwischen schon gar nicht wenig (durch mein Erasmus-Semester in Spanien, meine Reisen durch Europa und Nordamerika, Couchsurfer, die bei mir übernachtet haben, und dass ein guter Teil unserer Schulkameraden wieder zurück nach Frankreich oder anderswo auf dieser Erdkugel ist dir, Lynx, vermutlich auch schon aufgefallen). Über Facebook kann ich einfach mit ihnen in Kontakt bleiben - wenn ich Fotos uploade, etwas in meinem Profil ändere oder eine neue Statusnachricht schreibe ("Murmel ist krank geworden und verbringt das Wochenende im Bett") oder neue Freunde hinzufüge, wird das in deren Newsfeed angezeigt (zumindest, wenn es sie interessiert, der Feed ist dynamisch, man kann einstellen, über wen man lieber neue Dinge liest und welche Art von Nachrichten man sehen will).
Und genauso sehe ich (mit eigenen Präferenzen als Filter), was es so neues bei meinen Freunden gibt - der Facebook News Feed ist wie eine maßgeschneiderte Zeitung über meine Freunde. Dass teilweise nicht nur internationale, sondern auch Freunde aus Österreich drin sind, ist ein netter Nebeneffekt, auch diese erreiche ich über die Seite und lese über sie. Grad wenn man nur StudiVZ und nicht Facebook benutzt hat, weiss man nicht, was für einen Riesenunterschied dieser Feed macht, aber hier mal ein paar Beispiele:
- Ein paar Freunde aus unserer Schule gehen am Samstag zu einer bestimmten Party? Ich sehe es, denn mein Newsfeed zeigt mir an, dass 7 Leute aus meinem Bekanntenkreis zu Event x gehen. Auf der Seite davon sehe ich auch, wo und wann es stattfindet, und kann mich auch dafür anmelden, um den Freunden zu zeigen, dass ich auch komme (wenn sie mich nicht eh schon eingeladen haben).
- Das hübsche Mädchen, neben dem ich in einer Übung gesessen bin, ist jetzt Single? Ich sehe es in meinem Newsfeed, denn sie hat ihren Relationship status geändert.
- Eine gute Freundin von mir aus Kanada kommt von ihrer Reise aus Russland zurück? Dass sie die Urlaubsfotos gepostet hat, steht in meinem Newsfeed, ich kann sie sogleich kommentieren.
- Ein weiterer Freund aus dem Erasmussemester hat Facebook entdeckt? Ich sehe das, denn 3 meiner Freunde haben ihn zur Freundesliste hinzugefügt und das kann ich auch gleich tun.
Jetzt kann man natürlich sagen, "schreib e-mails" oder "benutze Skype". Natürlich, E-Mails sind kein Problem, aber eine völlig andere Form der Kommunikation, genauso wie Skype. In Facebook schreibe ich Inhalt, und wenn die Bekannten drauf reagieren wollen, dann reagieren sie drauf (Bsp: Ich sage der Party zu oder ab, schreibe dem Mädel, kommentiere Fotos, adde den Freund, usw... ). Als E-Mail kann ich entweder wenig Zeit verbringen und allen Freunden eine Massenmail schicken (sehr unpersönlich), oder jedem einzelnen in 5 verschiedenen Sprachen schreiben und hoffen, dass sie die Mühe zu schätzen wissen und auch alle antworten. Da ist es einfacher, eine Aktion auf Facebook zu setzen und sich über Reaktionen von denen zu freuen, die grad Zeit und Lust zum Reagieren haben.
Skype ist sowieso was anderes - synchrone im Gegensatz zu asynchroner Kommunikation, da muss man gleichzeitig online sein.
Das heisst natürlich nicht, dass Mails und Skype schlechte Kommunikationsmittel wären, aber Facebook ist einfach etwas anderes und eine gute Ergänzung dazu.
Auch Blogs sind ein gutes Mittel der Kommunikation, aber ich verwende sie eher, wenn ich detailliertere Gedanken von bestimmten Leuten lesen will. Facebook ermöglicht es mir, die Aktivitäten vieler Freunde zu verfolgen, ohne bei jedem einzelnen das Blog abzuklappern (trotzdem ermöglicht Facebook für manche Blogs auch eine Einbettung, sodass Freunde gleich sehen, wenn es neue Einträge gibt, hab ich aber noch nicht ausprobiert).
Genauso geht es natürlich um Subtilität. Oft sind es nur kleine Profiländerungen, wegen denen man nicht unbedingt eine Mail schreiben würde, die aber bei Zeit und Interesse doch eine Diskussion und eine Kontaktwiederaufnahme zur Folge haben können. ("Ach, du bist der Klettern-Gruppe beigetreten? Ich klettere auch, lass uns doch mal gemeinsam klettern gehen!")
Von den ganzen Applikationen red ich erst gar nicht, darüber kann man seinen Freunden mit Widmung virtuelle Blumen schicken, Fische fürs Aquarium, Schneekugeln und so weiter. Auch Spiele, in denen man gegen seine Freunde antreten kann (zB das Traveler-IQ-Geographiespiel "finde den Ort auf der Karte" in etlichen Variationen, neben den allgemeinen Highscores gibt es auch eine Highscoreliste der Freunde [ Lynx: P.Patzel und F.Daublepsky ringen in unserem Bekanntenkreis ständig um den ersten Platz im Europaquiz ]) oder Applikationen, mit denen man sein Profil schmücken kann oder die Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen unterstreichen kann, gibt es. Den Ideen sind keine Grenzen gesetzt, denn die Applikationen können von jedem in PHP programmiert und eingebettet werden. Letztendlich nutzlos? Ja, in vielen Fällen schon, aber man muss diese Dinge nicht verwenden und zwischendurch sind sie eine nette Interaktivität.
Im Guardian Artikel steht, die Hintermänner wollen (sinngemäß) "eine vernetzte Welt ohne Staatsgrenzen, in der nationale Gesetze keine Rolle mehr spielen". Ich finde das sehr negativ und polarisierend formuliert, denn man kann es auch andersherum sehen: Facebook macht die Welt ein Stück kleiner - es hilft, mit Freunden auf anderen Erdteilen (und gleichzeitig im eigenen Land, wenn es sich bei uns durchsetzt) in Kontakt zu bleiben (und auch mit neuen Leuten in Kontakt zu kommen), in einer Art, wie es viele andere Kommunikationsmittel nicht können. Die Psychologie lehrt uns, dass Vorurteile und Klischees anderen Kulturen gegenüber etwas sehr Änderungsresistentes sind. Eine der besten Möglichkeiten zum Vorurteilsabbau ist, eine oder mehrere konkrete Personen aus der betreffenden Kultur kennenzulernen, bzw besser kennenzulernen und in Kontakt zu bleiben. Und ich denke, Facebook kann da (genauso wie Couchsurfing, aber gut, das ist mehr zum Kennenlernen, das Interface ist im Vergleich zu Facebook leider eher spartanisch, da kann man gleich Mails schreiben sobald man sich kennt) einiges leisten. Insofern sehe ich hier also auch einen Beitrag zu einer toleranteren, multikulturellen Welt.
Ich will euch auch gar nicht zu Facebook überreden, denn wie gesagt, die Bedenken sind gerechtfertigt. Das muss jeder für sich entscheiden. Ich hoffe ihr versteht jetzt aber, wieso ich es benutze und dass es über diverse Features doch stärker von StudiVZ abweicht, als dass man es beurteilen könnte, wenn man nur in letzterem angemeldet war. Und ich will aufzeigen, dass es nicht eine gut-gegen-böse Angelegenheit ist, sondern wie in vielen Lebensbereichen die Sache Vor- und Nachteile hat.
Ich denke, Facebook wird es zur internationalen Verbreitung schaffen, denn das Konzept ist eigentlich ein gutes (dass nicht unbedingt gute Absichten dahinter stehen, steht auf einem anderen Blatt, aber man muss auch noch zwischen marktwirtschaftlichen Interessen als Werbeplattform und "verkauft die Daten an den nächstbesten Bieter" differenzieren) und die Plattform schon sehr stark verbreitet (bei uns hat fast jeder Studierende StudiVZ, in den USA, Kanada und England hat fast jeder Studierende Facebook, letzteres legt aber auch stark international und auch bei Nichtstudierenden zu, etwas, das bei StudiVZ schon aufgrund der Sprache und des Namens schwierig wird).
Für mich wirkt es wie Instant Messenger oder Blogs wie eine technologische Entwicklung des Internet.
lG,
Murmel